AIR BORNE

Kunst im Aerodynamischen Park der Wissenschaftsstadt Berlin-Adlershof

Abbildung Karlheinz Essl

Keine einfache Rechenaufgabe Martin Schönfeld

Kunst für einen Universitätsstandort zu entwickeln, gehört zu den sehr attraktiven Aufgaben der Kunst im öffentlichen Raum. Gegenüber den eher didaktisch angelegten Aufgabenstellungen für Kunst am Bau an Kindertagesstätten oder an Schuleinrichtungen des allgemeinen Bildungswesens kann Kunst im Bereich der Wissenschaften eine größere Offenheit und Freiheit des Diskurses über das noch nicht Gedachte und sich in der Kunst neu Formulierende erwarten.

Im Verlauf der Jurysitzungen des Kunstwettbewerbs für den Campus Adlershof der Humboldt-Universität Berlin gab es solche Momente, in denen am Beispiel der Wettbewerbsentwürfe eine Reflexion über Wissenschaft und wissenschaftliche Arbeit und über das Verhältnis von Kunst und Wissenschaft aufschien. Doch zu schnell wurden diese Momente auf den Boden der technischen Tatsachen zurückgeholt. So bleibt auch nach dem zweiten Kunstwettbewerb für Adlershof die Frage noch weiter zu klären, wie das besondere kreative Potenzial eines Universitätsstandorts noch besser in einen Kunstwettbewerb integriert werden kann.

Wettbewerbsverfahren
Die Jury setzte sich aus elf stimmberechtigten Mitgliedern zusammen. Fünf Fachpreisrichter und sechs Sachpreisrichter. Damit hatten die Sachpreisrichter die Stimmenmehrheit inne, was den allgemeinen Vorgaben für Kunstwettbewerbe widersprach. Die Qualität der Diskussion des Preisgerichts und das Verständnis für die künstlerischen Projekte hat unter dieser Abweichung jedoch nicht gelitten. Auch die Wahl eines Sachpreisrichters zum Juryvorsitzenden wich von den wünschenswerten Vorgaben für Kunstwettbewerbe ab, denn diese Rolle soll eigentlich den Fachpreisrichtern vorbehalten sein. Der Architekt Volker Staab erfüllte die Aufgabe des Juryvorsitzenden jedoch in anerkennenswerter Weise. Beide Abweichungen unterstreichen aber, wie wichtig eine verbindliche Formulierung und Umsetzung von allgemeinen Regularien für Kunstwettbewerbe ist.
Wegen der Enthaltung eines Sachpreisrichters führte die abschließende Wertung zur Stimmengleichheit, sodass keine Ausführungsempfehlung ausgesprochen werden konnte.

Ruhe!!! Verdammt nochmal!
Nach der ersten Jurysitzung erfolgte die Ausstellung der Entwürfe, die bei Studenten, Dozenten und Mitarbeitern ein sehr differenziertes Echo fand, wie es sich in den Eintragungen des Gästebuches ausdrückt: »Die Klanginstallation ist ein sehr interessanter Vorschlag und passt ausgezeichnet zum Konzept ›Aerodynamischer Park‹.« Aber das Gästebauch verzeichnete auch Eintragungen wie etwa »Ruhe!!! Verdammt nochmal!« und andere, die vor »Beschallung« und »Krach« warnten. Der Fachschaftsrat Mathematik unternahm deshalb sogleich eine »Umfrage/Unterschriftenaktion für bzw. gegen eine Klanginstallation im Aerodynamischen Park in Adlershof«. Die Mehrzahl sprach sich – wohl wie gewünscht – gegen eine Klanginstallation aus.

Sich in ein laufendes Wettbewerbsverfahren mit einer Unterschriftenaktion einzubringen, hat es in Berliner Kunstwettbewerben noch nicht gegeben. Darin äußert sich wohl auch ein Interesse der Nutzer, stärker an der Entscheidungsfindung mitwirken zu können. Plebiszite über künstlerische Entwürfe sind Unsinn. Eine Wettbewerbsentscheidung muss in der freien Meinungsbildung einer kompetent besetzten Jury liegen. Aber gerade an einer Universität wäre eine öffentliche Vorstellung und Diskussion von Entwürfen im Vorfeld einer Jurysitzung denkbar und vielleicht auch wünschenswert. Im Rahmen solcher Veranstaltungen könnten sich die Vorstellungen der Nutzer in einer breiteren Vielfalt formulieren. Auch könnten die geäußerten vielfältigen Meinungen durch den Nutzervertreter als Sachverständigen in die Jurysitzung eingebracht werden. Ohne diesen Hintergrund aber beschränkte sich die Nutzermeinung in den Jurysitzungen allein auf technische Fragen und entsprach darin den Wünschen der Hochschulleitung: Kein Lärm, keine Folgekosten, Kunst darf nicht stören.

Da bei einem vergleichbar großen und kompetenten Gremium die Findung eines gemeinsamen Termins sehr schwierig ist, verging bis zur Fortsetzung der Jurysitzung fast ein halbes Jahr. Bei der abschließenden Wertung fand der Entwurf von Stefan Krüskemper die meisten Stimmen und wurde zur Ausführung empfohlen.

Konzept einer integrativen Kunst
Das Preisgericht wertete den Entwurf von Stefan Krüskemper als »spannende und subtile Setzung, die einen ernsthaften Zugang zur historischen Dimension des Standorts eröffnet. Reizvoll ist der zurückhaltende, poetische Umgang mit dem Ort und das Spiel mit den unterschiedlichen Wahrnehmungs- und Vorstellungsebenen der Betrachter. Die räumliche Anordnung der einzelnen Klangobjekte lockt Besucher und Nutzer weg von ihren angestammten Wegen. Die Klangstücke überraschen die Passanten und lassen auch die Stille und die vorhandenen Umgebungsgeräusche zum Teil des vielschichtigen Gesamtkonzepts werden. Die Arbeit in ihrer szenischen Dimension bildet einen gelungenen neuen Ansatz für Kunst im öffentlichen Raum.«

Das Ergebnis des Wettbewerbs setzt auf eine differenzierte Form der Auseinandersetzung mit Wissenschaft. Es wurde ein Entwurf zur Ausführung empfohlen, der bewusst auf demonstrative Gesten und einen vorlauten symbolischen Paukenschlag verzichtet und stattdessen eine künstlerische Strategie verfolgt, die sich in bestehende räumliche Strukturen einfügt, diese neu akzentuiert und die Fragestellungen und Themen eines Ortes vielschichtig zur Darstellung bringt. Eine solche, auf räumliche Integration setzende ästhetische Haltung wird das Richtmaß für künftige künstlerische Aktivitäten im Bereich des Campus Adlershof sein. [...]

Vorwort
Wettbewerb
Kunst vor Ort

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Der Ort
Die Klänge
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Die Objekte
Die Autoren

Publikationen
Dank
Kontakt

Der ungekürzte Artikel von Martin Schönfeld (Büro für Kunst im öffentlichen Raum des Berufsverbands Bildender Künstler Berlin) aus »stadtkunst kunststadt«, Ausgabe 2006, Heft 53, kann hier nachgelesen werden.

 

Visualisierung Stefan Krüskemper

 

Neuigkeiten vom Campus Adlershof Humboldt-Universität zu Berlin

»Die im Vorfeld geäußerten Bedenken einer Verlärmung des Aerodynamischen Parks durch die Klanginstallation wurden durch Erläuterungen des Künstlers in der Jurysitzung entkräftet: Jedes der 15 unterschiedlichen Klangstücke wird in spezifischer Frequenz und Dauer zu hören sein, sodass sie die Passanten eher überraschen werden. Die Stille sowie die Umgebungsgeräusche sollen in das Gesamtkonzept integriert werden, die Klänge eine Reichweite von jeweils vier Meter um die Klangkörper nicht überschreiten.«

 

Adlershof Aktuell Ausgabe Januar 2006

»Man stelle sich vor, auf dem Weg zwischen Erwin-Schrödinger-Zentrum und Lehrraumgebäude der Chemie und Physik – quer durch den Aerodynamischen Park – erklingen Propellergeräusche und Passanten werden klanglich wieder in die Pionierphase des Motorfluges zurückversetzt. An anderer Stelle trifft eine russische Kinderstimme ihr Ohr oder einzelne Töne versammeln sich zu einem bekannten Gassenhauer. Ein Kunstprojekt, das als Sieger aus einem Wettbewerb der Senatsverwaltung für Wissenschaft, Forschung und Kultur hervorgegangen ist, soll nach seiner Installation diese ›Erinnerungsbilder‹ möglich und erfahrbar machen.«

 

Visualisierung Stefan Krüskemper

 

Eröffnung

Zum Download im PDF-Format stehen folgende Textdokumente zur Verfügung:

Download Eröffnungsrede von Dr. Anne Marie Freybourg
Download Eröffnungsrede von Stefan Krüskemper
Download Einladungskarte zur Eröffnung

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Copyright VG Bild-Kunst, Bonn 2006, für die Werke von Stefan Krüskemper, buero für integrative kunst.
Copyright 2006 für die Künstler und die Autoren.
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